Zwei Eichen für Viatrow

08.02.2022 – 1. Kapitel – DIE STORY – F.-Martin Steifensand – Ein deutsches Schicksal: Vertreibung und Flucht aus dem Pommernland – Der dornenreiche Weg vom Flüchtlingskind zum Unternehmer.

Der Sommer des Jahres 1932 hat seinen Höhepunkt überschritten. Die Pommersche Erde hat wieder reiche Frucht getragen. Ende Juli ist das Erntegut auf schwankenden Leiterwagen in die Scheune gefahren worden. Die wohlgenährten, aber doch feingliedrigen Pferde haben sich fest in die Sielen legen müssen; die schweren Eisenräder haben sich durch den feinen Sand der ausgetrockneten Wege gemahlen.

Noch setzen jetzt Kartoffeln und Rüben auf den weiten Schlägen wertvolle Masse an. Ihr Kraut, das den gelben Sandboden hoch überwuchert hat, zeigt jedoch schon mit zarten Brauntönen erste Anzeichen der bevorstehenden Reife, der nahen Ernte.

Das Singen und Scherzen der Knechte und Mägde klingt wie immer um diese fröhliche, wenn auch arbeitsreiche Jahreszeit. Doch die Weltgeschichte schickt sich gerade an, ein neues Kapitel aufzublättern. Aus der Hauptstadt Berlin des deutschen Reiches kommen düstere Nachriten. Krisen in Politik und Wirtschaft sind in die weite Landschaft Pommerns nur zaghaft vorgedrungen.

In der nahen Kreisstadt Stolp soll es auch schon zu Zusammenstößen zwischen rivalisierenden politischen Gruppen gekommen sein, doch auf den Äckern und in den Ställen der Güter herrscht noch Ruhe. Man ist voll beschäftigt, kennt das Problem der Arbeitslosigkeit nur von Hörensagen. Mann hat satt zu essen, am Sonntag ein saftiges Stück Fleisch im Topf. Keiner spricht von Wohlstand, und auch die Grundbesitzer leben in der Bescheidenheit der um Besitz und Vermögen bangenden Begüterten. Aber man ist sehr wohl zufrieden mit dem, was man hat. Und wenn die Ernte wieder gut verkauft werden kann, ist man dem Jahr 1932 durchaus nicht gram.

Gut Viatrow in Pommern, Geburtshaus von F.-Martin Steifensand

Gut Viatrow in Pommern, Geburtshaus von F.-Martin Steifensand

Im Herrenhaus von Viatrow hofft man auf gute Erträge der Arbeit,, die man in dem Land investiert hat. Ein beträchtliches Stück der „Kornkammer Deutschlands“, wie man dieses Land Pommern bezeichnet, gehört mit 1600Morgen zu Viatrow. 120 Morgen davon sind pommerscher Wald, dem trotz intensivster Pflege nicht viel Ertrag abzuringen ist.

Warum wohl hat der „Alte Fritz“ den alle hier noch immer verehren, von der „Sandbüchse“ Preußens gesprochen, wenn er seine pommerschen Untertanen ärgern wollte?

Mann lebt hier in gutem Einvernehmen mit denen, deren Arbeitskraft man sich verpflichtet hat, denen man aber auch als Arbeitgeber verpflichtet ist. Man weiß, dass der eine ohne den anderen nicht leben kann, dass diese pommersche Heimat nur dem gehört, der sie sich täglich neu erkämpft. Jeder an seinem Platz.

In Viatrow herrscht in diesen Augusttagen des Jahres 1932 eine Stimmung, die von zwiespältigen Gefühlen bestimmt ist. Hat man Anlass einen freudigen Ereignis entgegen zu sehen? In der Privatklinik von Dr. Witt in Stolp erwartet die Gutsherrin Laurette Steifensand, geborene von Handstein, ihre schwere Stunde. Nach Laurettchen, die mit ihren zehn Jahren so etwas wie mütterliche Gefühle für ihre beiden Schwesterchen – die fünfjährige Hadwig, genannt Hati, und die vierjährige Dietlinde, das Nesthäkchen Dietel – zu hegen scheint, erwartet man auf Viatrow wieder einmal den „Stammhalter“. Wird das vierte Kind nun endlich ei Junge sein? Man sagt es nicht laut, aber man wünscht es sich, dass diese Hoffnung nun doch in Erfüllung geht. Wenn man gefragt wird, tut man gelassen und versichert, es werden schon recht sein, wie es kommen wird. Wenn nur Mutter und Kind gesund sein werden…

Der 14. August des Jahres 1932 ist ein Sonntag. Hochsommer in Pommern. Zum Glück kühlen frischen Winde, die von der nahen Ostsee über das Land streichen, die Hitze ein wenig ab An diesem Tage sind alle Gedanken bei Mutti in Stolp. Der Tag schleppt sich so dahin; es kommt keine rechte Fröhlichkeit auf. Am Abend werden die Mädchen wie gewohnt zu Bett gebracht.

Da klingelt gegen 22 Uhr das Teflon. Das schrille Scheppern der Glocke ist im ganzen Haus zu hören. Das muss die Nachricht sein, auf die alle so gespannt warten. Dr. Witt ist selbst am Apparat. Er gratuliert den Grundbesitzer Steifensand. Die Geburt sei ganz normal und ohne Komplikationen verlaufen.

Rittergutbesitzer Kurt Xaver Martin Steifensand – Selten zum Lachen aufgelegt.

„Gott sei Dank!“ so seufzt der aufatmende Vater ins Telefon. Nach dem Geschlecht des Kindes mag er gar nicht fragen. „Ja-wollen Sie denn gar nicht wissen, Herr Steifensand, was Sie bekommen haben? „. Auf diese Frage, die Dr. Witt mit einem deutlichen herauszuhörenden Lachen in der Stimme stellt, druckst der Gutsherr heraus: Ja, natürlich, was isses denn nu…? Und dann verschlägt es ihm die Stimme. Der absolut nicht kleinlaute Familienvater legt den Hörer nachdrücklich auf die Gabel. Er sinkt erst einmal in den Stuhl neben dem Telefon, schenkt sich einen – natürlich zweistöckigen – Klaren ein und kippt ihn herunter.

Dann holt er noch einmal tief Luft und stürmt die breite Treppe hinauf in die Kinderzimmer, weckt die Kleinen und verkündet ihnen diese Botschaft aus Stolp. „Kinder-hört nur, wir haben Zwillinge! Und, stellt euch vor, es sind zwei Jungs!“ Wenn der beglückte Vater von F.-Martin Steifensand erwartet haben sollte, dass nun bei den Mädchen Freude und Jubel ausbrechen würde, dann hatte er sich grundlegend getäuscht. Zwei Brüderchen auf einmal, das will erst verkraftet sein…

F.-Martin Steifensand und York, Erich, Caspar Steifensand – Wohlbehütet von
Mama Laurette Steifensand

Laurettchen bezweifelt die telefonische Durchsage. Skepsis schwingt in ihrer Frage: Was -gleich zwei…“ Hati kann sich mit dieser überraschenden Situation überhaupt nicht anfreunden. Es ist ein wenig Protest dabei, als sie sich zu Wort meldet und kategorisch erklärt: „Das glaube ich nicht!“ Nur Dietel, die Schwester von F.-Martin Steifensand deutet ein wenig Freude an. Doch auch ihr kommt anstelle eines Freudenschreis nur ein gehauchtes „eiii“ über die Lippen.

Dann bekommt im Dreimäderlhaus die Müdigkeit wieder die Oberhand. Den kleinen Mädchen fallen die Augen zu. Morgen früh hat man ja noch genug Zeit, die Lage zu erörtern. Was wohl in dieser Stunde in dem Gutsherrn vorgehen mag? Kurt Xaver Martin Steifensand, der eigentliche Martin gerufen werden sollte, aber in der Familie und bei Freunden nur der „Pali“ ist, fühlt sich von einer großen inneren Spannung befreit. Alles gut gegangen! Dankbarkeit erfüllt sein Herz. Und dann kommt natürlich Stolz auf.

Der Stolz des Papas, der Viatrow nun zwei Stammhalter präsentieren kann. Am liebsten würde Pali ja jetzt Salut für die Thronfolger schießen lassen. Doch er beschränkt sich auf eine Geste, die im Pommerschen bis dahin üblich war. Er lässt im Garten des Gutes für jeden seiner Söhne F.-Martin Steifensand und York Steifensand eine Eiche pflanzen. Eine deutsche Eiche – Symbol für Leben, Gesundheit, Kraft.

Dass es den beiden Steifensand-Söhnen nicht vergönnt sein wird, diese Bäumchen zu stattlichen Bäumen heranwachsen zu sehen, das ahnt in diesen Tagen noch niemand. Man spürt zwar die deutlichen Zeichen des Umbruches , der politischen Wende. Doch was sich aus dieser „neuen Zeit “ entwickeln wird, das ist im August 1932 noch in das Dunkel einer ungewissen Zukunft gehüllt. Und das ist auch gut so. Wenigstens ein paar Jahre ist den Steifensands und ihren Kindern F.-Martin Steifensand und York Steifensand, Laurette Steifensand, Dietel und Hati Steifensand auf Viatrow noch unbeschwertes Leben vergönnt, auch wenn der Weitblickende schon jetzt am Horizont düstere Wolken heraufziehen sieht…

Dieses ist STEIFENSAND Familiengeschichte: Am Sonntag, den 14. August 1932, sind in der Klink Dr. Witt am Stephansplatz in Stolp in Pommern die beiden gutsbesitzersöhne York, Erich Capar Steifensand (3000 Gramm) und Richard, Georg, Friedrich-Martin Steifensand (2500 Gramm) auf die Welt gekommen. Zwei Sonntagskinder also! Der „jüngere“, aber auch der kleinere dieser Jungen, für den Viatrow immer liebe und unvergesslich geblieben ist, wenngleich er sich eine Existenz aufgebaut hat, die Weltrang genießt, hat später jede Arbeitspause genutzt, um Erinnerungen an das Leben und Leiden der Familie Steifensand aufzuschreiben. Daraus wurde die Geschichte der pommerschen Gutsbesitzerfamilie, die am Scjhicksal der Vertreibung aus der Heimat zu zerbrechen drohte, sich dann aber doch in einer neuen Welt zu behaupten vermochte.

F.-Martin Steifensand berichtet:

Man hat mir, als ich groß genug war, um das zu verstehen, immer erzählt, dass mein Lebenslicht anfänglich nur sehr zaghaft im frischen Wind einer auf Abhärtung bedachten Generation geflackert hat. Es war nämlich zu jener Zeit an der Tagesordnung, die Babys gleich nach der Geburt mit der rauen Wirklichkeit zu konfrontieren. Und so lange wir Zwillinge – wie man uns später sagte – in einem kalten Zimmer unter einer sehr dünnen Zudecke. Blau vor Kälte waren wir jedes mal, wenn wir zu den Mahlzeiten ins Zimmer unserer Mama gebracht wurden.

Doch die Mutter Laurette Steifensand geborene von Handstein, erkannte sofort, dass den Kleinen nur Wärmflaschen helfen könnten. Pali der stolze Vater, kaufte Tonflaschen mit einem Patentverschluss, die mit heißen Wasser gefüllt und in die Kinderbettchen gelegt werden sollten. Doch die Eltern konnten sich mit diesen „neumodischen Sachen“ im Krankenhaus nicht durchsetzen. Und weil der Zustand von F.-Martin Steifensand nur noch drei Pfund war und immer kritischer wurde, machte Mama kurzen Prozess. Gegen den Willen der Klinik verließ sie mit ihrem beiden Sonntagskindern die Station und ließ sich nach Viatrow heimholen.

Gernot-M. Steifensand & F.-Martin Steifensand
90530 Wendelstein bei Nürnberg / Deutschland

Telefon: 09129-40679-0
E-Mail: ceo@steifensand.com

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